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 Tipps und Tricks fürs Vampirrollenspiel
rabenaas Offline




Beiträge: 127

09.12.2009 17:09
RE: Charaktere anderer Epochen spielen Antworten

Einer der Reize von Vampire Live - vielleicht einer der wichtigsten - ist es, Personen darzustellen, die einer anderen Epoche als der unseren entstammen.

Bei Runden, zu deren Repertoire standardmäßig mehrhundertjährige Vampire gehören, nimmt dies schnell absurde Ausmaße an: Denn diese glaubhaft darzustellen, daran würde selbst ein studierter Historiker scheitern. Und das auch, aber nicht nur aufgrund anderer Sprech- und Denkweisen.

Bei Requiem in Berlin haben wir den Vorteil, insgesamt eine überschaubare historische Dimension zum Bespielen zu haben.

Selbst ältere Charaktere überschreiten bei uns eher selten die 100-Jahre-Marke, und die zeitliche Dimension dieser letzten 100 Jahre ist ziemlich gut belegt - nicht zuletzt durch bewegte Bilder, Farbfotografie und nicht zuletzt Zeitzeugen, deren Berichte und Sprechweise auf Tonband oder Video festgehalten wurde.

Dies hier soll kein Dozieren über das "richtige" Spiel werden und keine Anleitung oder Vorschrift, wie man "seinen" Charakter zu spielen hat. Er soll aber jenen, die Lust haben, diese zusätzliche Dimension des Charakterspiels aufzugreifen und aktiv zu gestalten, helfen, genau das zu tun.

Dazu werden hier Quellen und Ton- wie Videodokumente gesammelt, die einen Einblick in die Denk- und Handlungsweisen früherer Generationen - darunter nicht zuletzt die Generation unserer eigenen Eltern und Großeltern - bieten. Sichtweisen, die wir via eben diese kennen, die wir zuweilen oder meist ablehnen oder die uns fremd erscheinen - die wir aber besser verstehen können, wenn wir uns diese "überziehen" und in die Rolle einer Person unserer Eltern-, Großeltern- oder Urgroßelterngeneration wechseln: Unseren Charakter.

Spieler mit jungen Charakteren können diesen Thread gerne ignorieren. Oder mitverfolgen.





Schlüsselmomente

Ich beschäftige mich mit dem Vampire-Spiel seit 1991. Nicht zuletzt um eine stimmige Historie von Berlin zu entwickeln - 1991 zunächst für Maskerade, 2004 dann für Requiem - und Spielelemente für meine diversen Charaktere im Laufe der letzten 15+ Jahre zu finden habe ich mich immer wieder mit der Geschichte und hier speziell der Denkweise der Menschen beschäftigt.

In der Schule habe ich Geschichtsunterricht GEHASST und gerade das Sammeln und Herunterbeten historischer Kennzahlen finde ich bis heute eher langweilig. Nützlich sind diese Jahreszahlen allerdings zweifellos, denn sie sind Orientierungspunkte, die verschiedene, in sich spannendere Ereignisse in Relation zueinander bringen.

Dieses Desinteresse änderte sich erst, als ich via Rollenspiel begann in jene anderen Zeiten einzutauchen. Wobei es speziell in der Ära vor Internet einige Mühe kostete, die für mich gerade interessanten, historisch aber eben nicht allzu relevanten Dinge (wie Kleidung, Sprechmodalitäten, Sitten, Alltag) in Erfahrung zu bringen.

Mein jüngstes Schlüsselelement war, als ich meinem Vater zu dessen Geburtstag das wirklich exzellente Hörbuch "Unter dem Gras darüber - Erinnerungen an 100 Jahre Deutschland" von Inge Kurtz und Jürgen Geers schenkte, das wir uns bei der folgenden "Spargeltour" (einem alljährlichen Ausflug meines Vaters, meines Bruders und mir nach Schrobenhausen in Bayern) auf der langen Fahrt auch gleich anhörten.



Kurz gesagt besteht das Hörbuch aus in grobe Themen/Abschnitte zergliederte Erzählungen von Zeitzeugen, beginnend bei den wenigen überlebenden Hundertjährigen und deren Schilderungen ihrer Kindheit und Jugend zur Jahrhundertwende - und natürlich ihren Erinnerungen an deren Eltern und Großeltern: Wer sie waren, was sie dachten, wovon sie träumten.

Die Erzähler kommen aus ganz unterschiedlichen Milieus; die Berichte einer hochherrschaftlich großgewordenen Jungadligen reihen sich nahtlos an die Kindheitserinnerungen eines Sohnes aus strengsten, armen Verhältnissen.

Das Hörbuch ist aus zwei Gründen ein besonderer Schatz:

Erstens, weil es eben nicht um diesen ganzen fernen, großen Kram geht, den man in der Schule gelernt hat (oder den man zwanghaft versucht in seine Hintergrundgeschichte reinzuwurschteln) sondern um "das ganz normale Leben" - egal, ob man als Charakter dieses noch als Mensch oder eben schon als Vampir erlebt hat.

Zweitens, weil man die Leute selbst reden hört. Und dabei Sprechmuster, Klang, mitschwingende Standesdünkel und heute ausgestorbene Worte ("kolossal", "famos", "hurtig") mitbekommt.

Man erhält mehr und umfangreichere Einblicke als "nur" das Statement, dass früher alles viel härter war. Man erfährt, womit feine Leute ihre Freizeit zubrachten, was gegenüber der Dienerschaft "ungehörig" war und welch immense Rolle tatsächlich die Abstammung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht bedeutete.

Dies setzt sich dann natürlich im Laufe jener hundert Jahre fort - die Erzähler wechseln, Sprachmuster verändern sich, die Konflikte zwischen den Generationen werden nachvollziehbar.





Der unsichtbare Bund

Wenn unsere Charaktere im Vampire Live irgendwelche Allianzen oder Bünde eingehen, so orientieren sich diese in der Regel nach ihrer Bundzugehörigkeit oder ihrer vampirischen Abstammung.

Ich glaube allerdings, dass hier eine dritte Dimension fehlt:
Die Dimension des Alters.

Es geht hier NICHT um Maskerade-technische Klassifizierungen von Neonate-Ancilla-Ahn. Es geht darum, dass über das Erleben und wichtiger noch das Entstammen aus einer gemeinsamen Zeit ein starkes Band der Verbundenheit erwächst.

"Mit wem", so muss sich etwa ein 1909 geborener und mit 17 Jahren als Mensch in den Ersten Weltkrieg gezogener Vampir fragen, "soll ich mich über jene Zeiten unterhalten, wenn mein Zeitgenosse X vernichtet wird?"

Dieser Gedanke spielt keine allzu große Rolle, wenn der eigene Vampir noch jünger ist und es eine entsprechende Vielzahl von "Ersatzvampiren" aus seiner Zeit gibt. Und es ist klar, dass wir im Live-Spiel tatsächlich wenig über den ersten Weltkrieg zu tratschen haben - die Intimitäten zweier alter Vampire also tatsächlich kaum live darstellen können.

Aber wir können es versuchen oder zumindest uns offplay mit dem Darsteller eines entsprechend alten Vampirs dazu verabreden, dass diese beiden Vampire - strikt als Fluff - gelegentlich in privaten Gesprächen abseits der Sessions Erinnerungen an den Kaiser oder das alte Berlin oder die wilden Fünfziger oder was auch immer wiederaufleben lassen.

Wird man sich dann bewusst, dass aus der eigenen Generation im Spiel nur mehr 2 oder 3 Vampire übrig sind, wird man schnell dazu kommen, diese als wertvoller zu betrachten als sie "eigentlich" (nach Stand, nach politischer Bundzugehörigkeit, nach Clanzugehörigkeit) sind.

Das soll NICHT heißen dass man als 1900 erschaffener Akolyth nun der größte Fan des 1903 erschaffenen Großinquisitors des Sanktums wird!

Die beiden Charaktere dürfen einander weiterhin von Herzen hassen - aber ihr Interesse wird eher darauf gerichtet sein, sich über den anderen zu erheben und dann über ihn zu triumphieren. Was schlecht geht, wenn der andere tot ist.

Hierin erklärt sich z.T. warum gerade ältere Vampire andere ältere Vampire lieber leben lassen statt sie "umzuholzen": Man ist sich bei aller etwaigen Feindschaft eben doch näher als dem 2003 erschaffenen Jungspund im eigenen Bund. Selbst wenn der noch vom eigenen Clan sein sollte.





Inspiration

Ein weiterer Quell von Inspiration - teilweise mit Zeitzeugenberichten - findet sich in der exzellenten und preisgekrönten Serie "100 Jahre - Der Countdown", der vor dem Millenniumswechsel auf Phönix lief:



Ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere "Ältere" sich (wieder) mehr inspiriert fühlt, zumindest gelegentlich archetypische Denk-, Sprech- und Handlungsweisen in sein Spiel einfließen zu lassen (je mehr, desto tatsächlich besser)

Aber macht euch keinen Stress - es geht um FUN!





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